Johann Wolfgang Goethe. Egmont Ein Trauerspiel in fÃ?nf AufzÃ?gen -------------------------------------------------------------------------------- Personen: Margarete von Parma, Tochter Karls des FÃ?nften, Regentin der Niederlande Graf Egmont, Prinz von Gaure Wilhelm von Oranien Herzog von Alba Ferdinand, sein natÃ?rlicher Sohn Machiavell, im Dienste der Regentin Richard, Egmonts Geheimschreiber Silva und Gomez, unter Alba dienend KlÃ?rchen, Egmonts Geliebte Ihre Mutter Brackenburg, ein BÃ?rgerssohn Soest, KrÃ?mer, BÃ?rger von BrÃ?ssel Jetter, Schneider, BÃ?rger von BrÃ?ssel Zimmermann und Seifensieder, BÃ?rger von BrÃ?ssel Buyck, Soldat unter Egmont Ruysum, Invalide und taub Vansen, ein Schreiber Volk, Gefolge, Wachen usw. -------------------------------------------------------------------------------- Erster Aufzug ArmbrustschieÃ?en Soldaten und BÃ?rger mit ArmbrÃ?sten Jetter, BÃ?rger von BrÃ?ssel, Schneider, tritt vor und spannt die Armbrust. Soest, BÃ?rger von BrÃ?ssel, KrÃ?mer. Soest. Nun schieÃ?t nur hin, daÃ? es alle wird! Ihr nehmt mir's doch nicht! Drei Ringe schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht geschossen. Und so wÃ?r' ich fÃ?r dies Jahr Meister. Jetter. Meister und KÃnig dazu. Wer miÃ?gÃnnt's Euch? Ihr sollt dafÃ?r auch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit bezahlen, wie's 'recht ist. (Buyck, ein HollÃ?nder, Soldat unter Egmont.) Buyck. Jetter, den SchuÃ? handl' ich Euch ab, teile den Gewinst, traktiere die Herren: ich bin so schon lange hier und fÃ?r viele HÃflichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hÃ?ttet. - Soest. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei. Doch, Buyck, nur immerhin. Buyck (schieÃ?t). Nun, Pritschmeister, Reverenz! - Eins! Zwei! Drei! Vier! Soest. Vier Ringe? Es sei! Alle. Vivat, Herr KÃnig, hoch! und abermal hoch! Buyck. Danke, ihr Herren. WÃ?re Meister zu viel! Danke fÃ?r die Ehre. Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken. (Ruysum, ein FrieslÃ?nder, Invalide und taub.) Ruysum. DaÃ? ich euch sage! Soest. Wie ist's, Alter? Ruysum. DaÃ? ich euch sage! - Er schieÃ?t wie sein Herr, er schieÃ?t wie Egmont. Buyck. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der BÃ?chse trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er GlÃ?ck oder gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe ich von ihm. Das wÃ?re auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm lernte. - Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein KÃnig nÃ?hrt seine Leute; und so, auf des KÃnigs Rechnung, Wein her! Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daÃ? jeder - Buyck. Ich bin fremd und KÃnig, und achte eure Gesetze und Herkommen nicht. Jetter. Du bist ja Ã?rger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher lassen mÃ?ssen. Ruysum. Was? Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daÃ? wir zusammenlegen und der KÃnig nur das Doppelte zahlt. Ruysum. LaÃ?t ihn! doch ohne PrÃ?judiz! Das ist auch seines Herrn Art, splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht. (Sie bringen Wein.) Alle. Ihro MajestÃ?t Wohl! Hoch! Jetter (zu Buyck). Versteht sich: Eure MajestÃ?t. Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll. Soest. Wohl! Denn unserer spanischen MajestÃ?t Gesundheit trinkt nicht leicht ein NiederlÃ?nder von Herzen. Ruysum. Wer? Soest (laut). Philipps des Zweiten, KÃnigs in Spanien. Ruysum. Unser allergnÃ?digster KÃnig und Herr! Gott geb' ihm langes Leben. Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den FÃ?nften, nicht lieber? Ruysum. Gott trÃst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand Ã?ber den ganzen Erdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so grÃ?Ã?t' er euch wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart, wuÃ?t' er mit so guter Manier - ja, versteht mich - Er ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat - sagt' ich, versteht mich - der ist schon anders, der ist majestÃ?tischer. Jetter. Er lieÃ? sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und kÃniglichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute. Soest. Es ist kein Herr fÃ?r uns NiederlÃ?nder. Unsre FÃ?rsten mÃ?ssen froh und frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind. Jetter. Der KÃnig, denk ich, wÃ?re wohl ein gnÃ?diger Herr, wenn er nur bessere Ratgeber hÃ?tte. Soest. Nein, nein! Er hat kein GemÃ?t gegen uns NiederlÃ?nder, sein Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie kÃnnen wir ihn wiederlieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold? Warum trÃ?gen wir ihn alle auf den HÃ?nden? Weil man ihm ansieht, daÃ? er uns wohlwill; weil ihm die FrÃhlichkeit, das freie Leben, die gute Meinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem DÃ?rftigen nicht mitteilte, auch dem, der's nicht bedarf. LaÃ?t den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus. Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch! Ruysum. Ã?berwinder bei St. Quintin. Buyck. Dem Helden von Gravelingen! Alle. Hoch! Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. ich konnte kaum mehr fort, kaum die schwere BÃ?chse mehr schleppen. Hab ich doch den Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum Abschied noch einen StreifschuÃ? ans rechte Bein. Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir allein. Brannten und sengten die welschen Hunde nicht durch ganz Flandern? Aber ich mein, wir trafen sie! Ihre alten, handfesten Kerle hielten lange wider, und wir drÃ?ngten und schossen und hieben, daÃ? sie die MÃ?uler verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibe niedergeschossen, und wir stritten lange hinÃ?ber herÃ?ber, Mann fÃ?r Mann, Pferd gegen Pferd, Haufe mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See hin. Auf einmal kam's, wie vom Himmel herunter, von der MÃ?ndung des Flusses, bav, bau! immer mit Kanonen in die Franzosen drein. Es waren EnglÃ?nder, die unter dem Admiral Malin von ungefÃ?hr von DÃ?nkirchen her vorbeifuhren. Zwar viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffen herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter uns - Es tat doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's! Rick! rack! herÃ?ber, hinÃ?ber! Alles totgeschlagen, alles ins Wasser gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten; und was wir HollÃ?nder waren, gerad hintendrein. Uns, die wir beidlebig sind, ward erst wohl im Wasser wie den FrÃschen; und immer die Feinde im FluÃ? zusammengehauen, weggeschossen wie die Enten. Was nun noch durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und Mistgabeln tot. MuÃ?te doch die welsche MajestÃ?t gleich das PfÃtchen reichen und Friede machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem groÃ?en Egmont schuldig. Alle. Hoch! dem groÃ?en Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal hoch! Jetter. HÃ?tte man uns den statt der Margrete von Parma zum Regenten gesetzt! Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnÃ?d'ge Frau! Alle. Sie lebe! Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin lebe! Jetter. Klug ist sie, und mÃ?Ã?ig in allem, was sie tut; hielte sie's nur nicht so steif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit, schuld, daÃ? wir die vierzehn neuen BischofsmÃ?tzen im Lande haben. Wozu die nur sollen? Nicht wahr, daÃ? man Fremde in die guten Stellen einschieben kann, wo sonst Ã'bte aus den Kapiteln gewÃ?hlt wurden? Und wir sollen glauben, es sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei BischÃfen hatten wir genug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun muÃ? doch auch jeder tun, als ob er nÃtig wÃ?re; und da setzt's allen Augenblick VerdruÃ? und HÃ?ndel. Und je mehr ihr das Ding rÃ?ttelt und schÃ?ttelt, desto trÃ?ber wird's. (Sie trinken.) Soest. Das war nun des KÃnigs Wille; sie kann nichts davon- noch dazutun. Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind wahrlich gar schÃn in Reimen gesetzt und haben recht erbauliche Weisen. Die sollen wir nicht singen, aber Schelmenlieder, so viel wir wollen. Und warum? Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen, Gott weiÃ?. Ich hab ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab nichts drin gesehen. Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir wollen. Das macht, daÃ? Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so etwas nicht. - In Gent, Ypern, durch ganz Flandern singt sie, wer Belieben hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger als ein geistlich Lied? Nicht wahr, Vater? Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung. Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre Art; und gefÃ?hrlich ist's doch immer, da lÃ?Ã?t man's lieber sein. Die Inquisitionsdiener schleichen herum und passen auf; mancher ehrliche Mann ist schon unglÃ?cklich geworden. Der Gewissenszwang fehlte noch! Da ich nicht tun darf, was ich mÃchte, kÃnnen sie mich doch denken und singen lassen, was ich will. Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die Spanier, unser Gewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muÃ? auch beizeiten suchen, ihr die FlÃ?gel zu beschneiden. Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfÃ?llt, in mein Haus zu stÃ?rmen, und ich sitz an meiner Arbeit und summe just einen franzÃsischen Psalm und denke nichts dabei, weder Gutes noch BÃses; ich summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist: gleich bin ich ein Ketzer und werde eingesteckt. Oder ich gehe Ã?ber Land und bleibe bei einem Haufen Volks stehen, das einem neuen Prediger zuhÃrt, einem von denen, die aus Deutschland gekommen sind: auf der Stelle heiÃ? ich ein Rebell und komme in Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je einen predigen hÃren? Soest. Wackre Leute. Neulich hÃrt' ich einen auf dem Felde vor tausend und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander GekÃch, als wenn unsre auf der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit lateinischen Brocken erwÃ?rgen. Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns bisher hÃ?tten bei der Nase herumgefÃ?hrt, uns in der Dummheit erhalten, und wie wir mehr Erleuchtung haben kÃnnten. - Und das bewies er euch alles aus der Bibel. Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst und grÃ?belte so Ã?ber die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen. Buyck. Es lÃ?uft ihnen auch alles Volk nach. Soest. Das glaub ich, wo man was Gutes hÃren kann und was Neues. Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise. Buyck. Frisch, ihr Herren! Ã?ber dem SchwÃ?tzen vergeÃ?t ihr den Wein und Oranien. Jetter. Den nicht zu vergessen. Das ist ein rechter Wall: wenn man nur an ihn denkt, meint man gleich, man kÃnne sich hinter ihn verstecken und der Teufel brÃ?chte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch! Alle. Hoch! hoch! Soest. Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit. Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg! Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg! Jetter. Krieg! Krieg! WiÃ?t ihr auch, was ihr ruft? DaÃ? es euch leicht vom Munde geht, ist wohl natÃ?rlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hÃren; und nichts zu hÃren, als wie da ein Haufen gezogen kommt und dort ein andrer, wie sie Ã?ber einen HÃ?gel kamen und bei einer MÃ?hle hielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drÃ?ngen, und einer gewinnt, der andere verliert, ohne daÃ? man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die BÃ?rger ermordet werden, und wie's den armen Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst, man denkt jeden Augenblick: Â'Da kommen sie! Es geht uns auch so.Â' Soest. Drum muÃ? auch ein BÃ?rger immer in Waffen geÃ?bt sein. Jetter. Ja, es Ã?bt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hÃr ich noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe. Buyck. Das sollt' ich Ã?belnehmen. Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem. Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf? Jetter. Vexier' Er sich. Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir. Jetter. Halt dein Maul. Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der KÃ?che, dem Keller, der Stube - dem Bette. (Sie lachen.) Jetter. Du bist ein Tropf. Buyck. Friede, ihr Herren! MuÃ? der Soldat Friede rufen? - Nun da ihr von uns nichts hÃren wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine bÃ?rgerliche Gesundheit. Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe! Soest. Ordnung und Freiheit! Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden. (Sie stoÃ?en an und wiederholen frÃhlich die Worte, doch so, daÃ? jeder ein anders ausruft und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und fÃ?llt endlich auch mit ein.) Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit! Palast der Regentin Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente. Regentin. Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten. Sagt Machiavellen, er soll zu mir kommen. (Alle gehen ab.) Der Gedanke an diese schrecklichen Begebenheiten lÃ?Ã?t mir keine Ruhe! Nichts kann mich ergetzen, nichts mich zerstreuen; immer sind diese Bilder, diese Sorgen vor mir. Nun wird der KÃnig sagen, dies sei'n die Folgen meiner GÃ?te, meiner Nachsicht; und doch sagt mir mein Gewissen jeden Augenblick, das RÃ?tlichste, das Beste getan zu haben. Sollte ich frÃ?her mit dem Sturme des Grimmes diese Flammen anfachen und umhertreiben? Ich hoffte sie zu umstellen, sie in sich selbst zu verschÃ?tten. Ja, was ich mir selbst sage, was ich wohl weiÃ?, entschuldigt mich vor mir selbst; aber wie wird es mein Bruder aufnehmen? Denn, ist es zu leugnen? Der Ã?bermut der fremden Lehrer hat sich tÃ?glich erhÃht; sie haben unser Heiligtum gelÃ?stert, die stumpfen Sinne des PÃbels zerrÃ?ttet und den Schwindelgeist unter sie gebannt. Unreine Geister haben sich unter die AufrÃ?hrer gemischt, und schreckliche Taten sind geschehen, die zu denken schauderhaft ist, und die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe, schnell und einzeln, damit mir der allgemeine Ruf nicht zuvorkomme, damit der KÃnig nicht denke, man wolle noch mehr verheimlichen. Ich sehe kein Mittel, weder strenges noch gelindes, dem Ã?bel zu steuern. O was sind wir GroÃ?en auf der Woge der Menschheit? Wir glauben sie zu beherrschen, und sie treibt uns auf und nieder, hin und her. (Machiavell tritt auf.) Regentin. Sind die Briefe an den KÃnig aufgesetzt? Machiavell. In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben kÃnnen. Regentin. Habt Ihr den Bericht ausfÃ?hrlich genug gemacht? Machiavell. AusfÃ?hrlich und umstÃ?ndlich, wie es der KÃnig liebt. Ich erzÃ?hle, wie zuerst um St. Omer die bilderstÃ?rmerische Wut sich zeigt. Wie eine rasende Menge, mit StÃ?ben, Beilen, HÃ?mmern, Leitern, Stricken versehen, von wenig Bewaffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und KlÃster anfallen, die AndÃ?chtigen verjagen, die verschlossenen Pforten aufbrechen, alles umkehren, die AltÃ?re niederreiÃ?en, die Statuen der Heiligen zerschlagen, alle GemÃ?lde verderben, alles, was sie nur Geweihtes, Geheiligtes antreffen, zerschmettern, zerreiÃ?en, zertreten. Wie sich der Haufe unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Tore erÃffnen. Wie sie den Dom mit unglaublicher Schnelle verwÃ?sten, die Bibliothek des Bischofs verbrennen. Wie eine groÃ?e Menge Volks, von gleichem Unsinn ergriffen, sich Ã?ber Menin, Comines, Werwicq, Lille verbreitet, nirgend Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die ungeheure VerschwÃrung sich erklÃ?rt und ausgefÃ?hrt ist. Regentin. Ach, wie ergreift mich aufs neue der Schmerz bei deiner Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das Ã?bel werde nur grÃÃ?er und grÃÃ?er werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell! Machiavell. Verzeihen Eure Hoheit, meine Gedanken sehen Grillen so Ã?hnlich; und wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart, habt Ihr doch selten meinem Rat folgen mÃgen. Ihr sagtet oft im Scherze: Â'Du siehst zu weit, Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber sein: wer handelt, muÃ? fÃ?rs NÃ?chste sorgen.Â' Und doch, habe ich diese Geschichte nicht vorauserzÃ?hlt? Hab ich nicht alles vorausgesehen? Regentin. Ich sehe auch viel voraus, ohne es Ã?ndern zu kÃnnen. Machiavell. Ein Wort fÃ?r tausend: Ihr unterdrÃ?ckt die neue Lehre nicht. LaÃ?t sie gelten, sondert sie von den RechtglÃ?ubigen, gebt ihnen Kirchen, faÃ?t sie in die bÃ?rgerliche Ordnung, schrÃ?nkt sie ein; und so habt Ihr die AufrÃ?hrer auf einmal zur Ruhe gebracht. Jede andern Mittel sind vergeblich, und Ihr verheert das Land. Regentin. Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden kÃnne? WeiÃ?t du nicht, wie er mir in jedem Briefe die Erhaltung des wahren Glaubens aufs eifrigste empfiehlt? daÃ? er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht hergestellt wissen will? HÃ?lt er nicht selbst in den Provinzen Spione, die wir nicht kennen, um zu erfahren, wer sich zu der neuen Meinung hinÃ?berneigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung uns diesen und jenen genannt, der sich in unsrer NÃ?he heimlich der Ketzerei schuldig machte? Befiehlt er nicht Strenge und SchÃ?rfe? Und ich soll gelind sein? ich soll VorschlÃ?ge tun, daÃ? er nachsehe, daÃ? er dulde? WÃ?rde ich nicht alles Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren? Machiavell. Ich weiÃ? wohl; der KÃnig befiehlt, er lÃ?Ã?t Euch seine Absichten wissen. Ihr sollt Ruhe und Friede wiederherstellen, durch ein Mittel, das die GemÃ?ter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an allen Enden anblasen wird. Bedenkt, was Ihr tut. Die grÃÃ?ten Kaufleute sind angesteckt, der Adel, das Volk, die Soldaten. Was hilft es, auf seinen Gedanken beharren, wenn sich um uns alles Ã?ndert? MÃchte doch ein guter Geist Philippen eingeben, daÃ? es einem KÃnige anstÃ?ndiger ist, BÃ?rger zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durch einander aufzureiben. Regentin. Solch ein Wort nie wieder. Ich weiÃ? wohl, daÃ? Politik selten Treu und Glauben halten kann, daÃ? sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschlieÃ?t. In weltlichen GeschÃ?ften ist das leider nur zu wahr; sollen wir aber auch mit Gott spielen wie unter einander? Sollen wir gleichgÃ?ltig gegen unsre bewÃ?hrte Lehre sein, fÃ?r die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen? Machiavell. Denkt nur deswegen nicht Ã?bler von mir. Regentin. Ich kenne dich und deine Treue und weiÃ?, daÃ? einer ein ehrlicher und verstÃ?ndiger Mann sein kann, wenn er gleich den nÃ?chsten besten Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat. Es sind noch andere, Machiavell, MÃ?nner, die ich schÃ?tzen und tadeln muÃ?. Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir? Regentin. Ich kann es gestehen, daÃ? mir Egmont heute einen recht innerlichen tiefen VerdruÃ? erregte. Machiavell. Durch welches Betragen? Regentin. Durch sein gewÃhnliches, durch GleichgÃ?ltigkeit und Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen und ihm begleitet, aus der Kirche ging. Ich hielt meinen Schmerz nicht an, ich beklagte mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete. Â'Seht, was in Eurer Provinz entsteht! Das duldet Ihr, Graf, von dem der KÃnig sich alles versprach?Â' Machiavell. Und was antwortete er? Regentin. Als wenn es nichts, als wenn es eine Nebensache wÃ?re, versetzte er: Â'WÃ?ren nur erst die NiederlÃ?nder Ã?ber ihre Verfassung beruhigt! Das Ã?brige wÃ?rde sich leicht geben.Â' Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie soll Zutrauen entstehen und bleiben, wenn der NiederlÃ?nder sieht, daÃ? es mehr um seine BesitztÃ?mer als um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu tun ist? Haben die neuen BischÃfe mehr Seelen gerettet, als fette PfrÃ?nden geschmaust, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle Statthalterschaften mit NiederlÃ?ndern besetzt; lassen sich es die Spanier nicht zu deutlich merken, daÃ? sie die grÃÃ?te, unwiderstehlichste Begierde nach diesen Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art von den Seinigen regieret werden als von Fremden, die erst im Lande sich wieder BesitztÃ?mer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden MaÃ?stab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen? Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner. Machiavell. Mit dem Herzen gewiÃ? nicht; und wollte, ich kÃnnte mit dem Verstande ganz auf der unsrigen sein. Regentin. Wenn du so willst, so tÃ?t' es not, ich trÃ?te ihnen meine Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich groÃ?e Hoffnung, diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden. Machiavell. Ein gefÃ?hrliches Paar. Regentin. Soll ich aufrichtig reden: ich fÃ?rchte Oranien, und ich fÃ?rchte fÃ?r Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und in tiefster Ehrfurcht, mit grÃÃ?ter Vorsicht tut er, was ihm beliebt. Machiavell. Recht im Gegenteil geht Egmont einen freien Schritt, als wenn die Welt ihm gehÃrte. Regentin. Er trÃ?gt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der MajestÃ?t nicht Ã?ber ihm schwebte. Machiavell. Die Augen des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die Herzen hÃ?ngen an ihm. Regentin. Nie hat er einen Schein vermieden; als wenn niemand Rechenschaft von ihm zu fordern hÃ?tte. Noch trÃ?gt er den Namen Egmont. Graf Egmont freut ihn sich nennen zu hÃren; als wollte er nicht vergessen, daÃ? seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum tut er das? Will er erloschne Rechte wieder geltend machen? Machiavell. Ich halte ihn fÃ?r einen treuen Diener des KÃnigs. Regentin. Wenn er wollte, wie verdient kÃnnte er sich um die Regierung machen; anstatt daÃ? er uns schon, ohne sich zu nutzen, unsÃ?glichen VerdruÃ? gemacht hat. Seine Gesellschaften, Gastmahle und Gelage haben den Adel mehr verbunden und verknÃ?pft als die gefÃ?hrlichsten heimlichen ZusammenkÃ?nfte. Mit seinen Gesundheiten haben die GÃ?ste einen dauernden Rausch, einen nie sich verziehenden Schwindel geschÃpft. Wie oft setzt er durch seine Scherzreden die GemÃ?ter des Volks in Bewegung, und wie stutzte der PÃbel Ã?ber die neuen Livreen, Ã?ber die tÃrichten Abzeichen der Bedienten! Machiavell. Ich bin Ã?berzeugt, es war ohne Absicht. Regentin. Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und nÃ?tzt sich nicht. Er nimmt das Ernstliche scherzhaft; und wir, um nicht mÃ?Ã?ig und nachlÃ?ssig zu scheinen, mÃ?ssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So hetzt eins das andre; und was man abzuwenden sucht, das macht sich erst recht. Er ist gefÃ?hrlicher als ein entschiednes Haupt einer VerschwÃrung; und ich mÃ?Ã?te mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann nicht leugnen, es vergeht wenig Zeit, daÃ? er mich nicht empfindlich, sehr empfindlich macht. Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln. Regentin. Sein Gewissen hat einen gefÃ?lligen Spiegel. Sein Betragen ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der vÃlligen Ã?berzeugung lebe, er sei Herr und wolle es uns nur aus GefÃ?lligkeit nicht fÃ?hlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde sich schon geben. Machiavell. Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein glÃ?ckliches Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gefÃ?hrlich aus. Ihr schadet nur ihm und Euch. Regentin. Ich lege nichts aus. Ich spreche nur von den unvermeidlichen Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederlÃ?ndischer Adel und sein Golden Vlies vor der Brust stÃ?rken sein Vertrauen, seine KÃ?hnheit. Beides kann ihn vor einem schnellen, willkÃ?rlichen Unmut des KÃnigs schÃ?tzen. Untersuch es genau; an dem ganzen UnglÃ?ck, das Flandern trifft, ist er doch nur allein schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so genau nicht genommen und vielleicht sich heimlich gefreut, daÃ? wir etwas zu schaffen hatten. LaÃ? mich nur; was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschieÃ?en; ich weiÃ?, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich. Machiavell. Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien auch? Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die Last der Verantwortung nahe genug zuwÃ?lzen; sie sollen sich mit mir dem Ã?bel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erklÃ?ren. Eile, daÃ? die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann sende schnell den bewÃ?hrten Vaska nach Madrid; er ist unermÃ?det und treu; daÃ? mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, daÃ? der Ruf ihn nicht Ã?bereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht. Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden. BÃ?rgerhaus Klare. Klarens Mutter. Brackenburg. Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg? Brackenburg. Ich bitt Euch, verschont mich, KlÃ?rchen. Klare. Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen Liebesdienst? Brackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich kann Euern Augen nicht ausweichen. Klare. Grillen! kommt und haltet! Mutter (im Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert so hÃ?bsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen. Brackenburg. Sonst. Klare. Wir wollen singen. Brackenburg. Was Ihr wollt. Klare. Nur hÃ?bsch munter und frisch weg! Es ist ein Soldatenliedchen, mein LeibstÃ?ck. (Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.) Die Trommel gerÃ?hret! Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster gewaffnet Dem Haufen befiehlt, Die Lanze hoch fÃ?hret, Die Leute regieret. Wie klopft mir das Herze! Wie wallt mir das Blut! O hÃ?tt' ich ein WÃ?mslein Und Hosen und Hut! Ich folgt' ihm zum Tor 'naus Mit mutigem Schritt, Ging' durch die Provinzen, Ging' Ã?berall mit. Die Feinde schon weichen, Wir schieÃ?en darein. Welch GlÃ?ck sondergleichen, Ein Mannsbild zu sein! (Brackenburg hat unter dem Singen KlÃ?rchen oft angesehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die TrÃ?nen kommen ihm in die Augen, er lÃ?Ã?t den Strang fallen und geht ans Fenster. KlÃ?rchen singt das Lied allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlÃ?ssig wieder um und setzt sich.) Mutter. Was gibt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich hÃre marschieren. Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin. Klare. Um diese Stunde? was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die tÃ?gliche Wache, das sind weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! hÃrt einmal, was es gibt. Es muÃ? etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, tut mir den Gefallen. Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da (Er reicht ihr abgehend die Hand; sie gibt ihm die ihrige.) Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg. Klare. Ich bin neugierig; und auch, verdenkt mir's nicht, seine Gegenwart tut mir weh. Ich weiÃ? immer nicht, wie ich mich gegen ihn betragen soll. Ich habe unrecht gegen ihn, und mich nagt's am Herzen, daÃ? er es so lebendig fÃ?hlt. - Kann ich's doch nicht Ã?ndern! Mutter. Es ist ein so treuer Bursche. Klare. Ich kann's auch nicht lassen, ich muÃ? ihm freundlich begegnen. Meine Hand drÃ?ckt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so liebevoll anfaÃ?t. Ich mache mir VorwÃ?rfe, daÃ? ich ihn betriege, daÃ? ich in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nÃ?hre. Ich bin Ã?bel dran. WeiÃ? Gott, ich betrieg ihn nicht. Ich will nicht, daÃ? er hoffen soll, und ich kann ihn doch nicht verzweifeln lassen. Mutter. Das ist nicht gut. Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich hÃ?tte ihn heiraten kÃnnen und glaube, ich war nie in ihn verliebt. Mutter. GlÃ?cklich wÃ?rst du immer mit ihm gewesen. Klare. WÃ?re versorgt und hÃ?tte ein ruhiges Leben. Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt. Klare. Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie es gegangen ist, weiÃ? ich's wohl und weiÃ? es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja wÃ?re mir weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das glÃ?cklichste GeschÃpf von der Welt sein? Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden? Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist das eine Frage? Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das ausgehen wird! Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich unglÃ?cklich gemacht! mich unglÃ?cklich gemacht. Klare (gelassen). Ihr lieÃ?et es doch im Anfange. Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut. Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lÃ?chelte, nickte, mich grÃ?Ã?te: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt? Mutter. Mache mir noch VorwÃ?rfe. Klare (gerÃ?hrt). Wenn er nun Ãfter die StraÃ?e kam, und wir wohl fÃ?hlten, daÃ? er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete? Mutter. Dachte ich, daÃ? es so weit kommen sollte? Klare (mit stockender Stimme und zurÃ?ckgehaltenen TrÃ?nen). Und wie er uns abends, in den Mantel eingehÃ?llt, bei der Lampe Ã?berraschte, wer war geschÃ?ftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und staunend sitzen blieb? Mutter. Und konnte ich fÃ?rchten, daÃ? diese unglÃ?ckliche Liebe das kluge KlÃ?rchen so bald hinreiÃ?en wÃ?rde? Ich muÃ? es nun tragen, daÃ? meine Tochter - Klare (mit ausbrechenden TrÃ?nen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt Eure Freude, mich zu Ã?ngstigen. Mutter (weinend). Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine BetrÃ?bnis. Ist mir's nicht Kummer genug, daÃ? meine einzige Tochter ein verworfenes GeschÃpf ist? Klare (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? - Welche FÃ?rstin neidete nicht das arme KlÃ?rchen um den Platz an seinem Herzen! O Mutter - meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter, seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln - Diese Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt. Mutter. Man muÃ? ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so freundlich, frei und offen. Klare. Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch der groÃ?e Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbÃ?rge! wie er um mich besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster. Mutter. Kommt er wohl heute? Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht bemerkt, wie ich horche, wenn's an der TÃ?r rauscht? - Ob ich schon weiÃ?, daÃ? er vor Nacht nicht kommt, vermut ich ihn doch jeden Augenblick, von morgens an, wenn ich aufstehe. WÃ?r' ich nur ein Bube und kÃnnte immer mit ihm gehen, zu Hofe und Ã?berall hin! KÃnnt' ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht! - Mutter. Du warst immer so ein Springinsfeld; als ein kleines Kind schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du dich nicht ein wenig besser an? Klare. Vielleicht, Mutter! wenn ich Langeweile habe! - Gestern, denkt, gingen von seinen Leuten vorbei und sangen Lobliedchen auf ihn. Wenigstens war sein Name in den Liedern! das Ã?brige konnte ich nicht verstehn. Das Herz schlug mir bis an den Hals - Ich hÃ?tte sie gern zurÃ?ckgerufen, wenn ich mich nicht geschÃ?mt hÃ?tte. Mutter. Nimm dich in acht! Dein heftiges Wesen verdirbt noch alles; du verrÃ?tst dich offenbar vor den Leuten. Wie neulich bei dem Vetter, wie du den Holzschnitt und die Beschreibung fandst und mit einem Schrei riefst: Â'Graf Egmont!Â' - Ich ward feuerrot. Klare. HÃ?tt' ich nicht schreien sollen? Es war die Schlacht bei Gravelingen, und ich finde oben im Bilde den Buchstaben C. und suche unten in der Beschreibung C. Steht da: Â'Graf Egmont, dem das Pferd unter dem Leibe totgeschossen wird.Â' Mich Ã?berlief's - und hernach muÃ?t' ich lachen Ã?ber den holzgeschnitzten Egmont, der so groÃ? war als der Turm von Gravelingen gleich dabei und die englischen Schiffe an der Seite. - Wenn ich mich manchmal erinnere, wie ich mir sonst eine Schlacht vorgestellt und was ich mir als MÃ?dchen fÃ?r ein Bild vom Grafen Egmont machte, wenn sie von ihm erzÃ?hlten, und von allen Grafen und FÃ?rsten - und wie mir's jetzt ist! (Brackenburg kommt.) Klare. Wie steht's? Brackenburg. Man weiÃ? nichts Gewisses. In Flandern soll neuerdings ein Tumult entstanden sein; die Regentin soll besorgen, er mÃchte sich hieher verbreiten. Das SchloÃ? ist stark besetzt, die BÃ?rger sind zahlreich an den Toren, das Volk summt in den Gassen. - Ich will nur schnell zu meinem alten Vater. (Als wollt' er gehen.) Klare. Sieht man Euch morgen? Ich will mich ein wenig anziehen. Der Vetter kommt, und ich sehe gar zu liederlich aus. Helft mir einen Augenblick, Mutter. - Nehmt das Buch mit, Brackenburg, und bringt mir wieder so eine Historie. Mutter. Lebt wohl. Brackenburg (seine Hand reichend). Eure Hand! Klare (ihre Hand versagend). Wenn Ihr wiederkommt. (Mutter und Tochter ab.) Brackenburg (allein). Ich hatte mir vorgenommen, gerade wieder fortzugehn; und da sie es dafÃ?r aufnimmt und mich gehen lÃ?Ã?t, mÃcht' ich rasend werden. - UnglÃ?cklicher! und dich rÃ?hrt deines Vaterlandes Geschick nicht? der wachsende Tumult nicht? - und gleich ist dir Landsmann oder Spanier, und wer regiert und wer recht hat? - War ich doch ein andrer Junge als Schulknabe! - Wenn da ein Exerzitium aufgegeben war: Â'Brutus' Rede fÃ?r die Freiheit, zur Ã?bung der RedekunstÂ', da war doch immer Fritz der Erste, und der Rektor sagte: Â'Wenn's nur ordentlicher wÃ?re, nur nicht alles so Ã?bereinander gestolpert.Â' - Damals kocht' es und trieb! - Jetzt schlepp ich mich an den Augen des MÃ?dchens so hin. Kann ich sie doch nicht lassen! Kann sie mich doch nicht lieben! - Ach - Nein - Sie - Sie kann mich nicht ganz verworfen haben - Nicht ganz - und halb und nichts! - ich duld es nicht lÃ?nger! - - Sollte es wahr sein, was mir ein Freund neulich ins Ohr sagte? daÃ? sie nachts einen Mann heimlich zu sich einlÃ?Ã?t, da sie mich zÃ?chtig immer vor Abend aus dem Hause treibt. Nein, es ist nicht wahr, es ist eine LÃ?ge, eine schÃ?ndliche verleumderische LÃ?ge! KlÃ?rchen ist so unschuldig, als ich unglÃ?cklich bin. - Sie hat mich verworfen, hat mich von ihrem Herzen gestoÃ?en - - Und ich soll so fortleben? Ich duld, ich duld es nicht. - - Schon wird mein Vaterland von innerm Zwiste heftiger bewegt, und ich sterbe unter dem GetÃ?mmel nur ab! Ich duld es nicht! - Wenn die Trompete klingt, ein SchuÃ? fÃ?llt, mir fÃ?hrt's durch Mark und Bein! Ach, es reizt mich nicht! es fordert mich nicht, auch mit einzugreifen, mit zu retten, zu wagen. - Elender, schimpflicher Zustand! Es ist besser, ich end auf einmal. Neulich stÃ?rzt' ich mich ins Wasser, ich sank - aber die geÃ?ngstete Natur war stÃ?rker; ich fÃ?hlte, daÃ? ich schwimmen konnte, und rettete mich wider Wille. - - KÃnnt' ich der Zeiten vergessen, da sie mich liebte, mich zu lieben schien! - Warum hat mir 's Mark und Bein durchdrungen, das GlÃ?ck? Warum haben mir diese Hoffnungen allen GenuÃ? des Lebens aufgezehrt, indem sie mir ein Paradies von weitem zeigten? - Und jener erste KuÃ?! Jener einzige! - Hier (die Hand auf den Tisch legend), hier waren wir allein - sie war immer gut und freundlich gegen mich gewesen - da schien sie sich zu erweichen - sie sah mich an - alle Sinnen gingen mir um, und ich fÃ?hlte ihre Lippen auf den meinigen. - Und - und nun? - Stirb, Armer! Was zauderst du? (Er zieht ein FlÃ?schchen aus der Tasche.) Ich will dich nicht umsonst aus meines Bruders DoktorkÃ?stchen gestohlen haben, heilsames Gift! Du sollst mir dieses Bangen, diese Schwindel, diese TodesschweiÃ?e auf einmal verschlingen und lÃsen. Zweiter Aufzug Platz in BrÃ?ssel Jetter und ein Zimmermeister treten zusammen. Zimmermeister. Sagt' ich's nicht voraus? Noch vor acht Tagen auf der Zunft sagt' ich, es wÃ?rde schwere HÃ?ndel geben. Jetter. Ist's denn wahr, daÃ? sie die Kirchen in Flandern geplÃ?ndert haben? Zimmermeister. Ganz und gar zugrunde gerichtet haben sie Kirchen und Kapellen. Nichts als die vier nackten WÃ?nde haben sie stehen lassen. Lauter Lumpengesindel! Und das macht unsre gute Sache schlimm. Wir hÃ?tten eher, in der Ordnung und standhaft, unsere Gerechtsame der Regentin vortragen und drauf halten sollen. Reden wir jetzt, versammeln wir uns jetzt, so heiÃ?t es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern. Jetter. Ja, so denkt jeder zuerst: was sollst du mit deiner Nase voran? hÃ?ngt doch der Hals gar nah damit zusammen. Zimmermeister. Mir ist's bange, wenn's einmal unter dem Pack zu lÃ?rmen anfÃ?ngt, unter dem Volk, das nichts zu verlieren hat. Die brauchen das zum Vorwande, worauf wir uns auch berufen mÃ?ssen, und bringen das Land in UnglÃ?ck. (Soest tritt dazu.) Soest. Guten Tag, ihr Herrn! Was gibt's Neues? Ist's wahr, daÃ? die BilderstÃ?rmer gerade hierher ihren Lauf nehmen? Zimmermeister. Hier sollen sie nichts anrÃ?hren. Soest. Es trat ein Soldat bei mir ein, Tobak zu kaufen - den fragt' ich aus. Die Regentin, so eine wackre kluge Frau sie bleibt, diesmal ist sie auÃ?er Fassung. Es muÃ? sehr arg sein, daÃ? sie sich so geradezu hinter ihre Wache versteckt. Die Burg ist scharf besetzt. Man meint sogar, sie wolle aus der Stadt flÃ?chten. Zimmermeister. Hinaus soll sie nicht! Ihre Gegenwart beschÃ?tzt uns, und wir wollen ihr mehr verschaffen als ihre StutzbÃ?rte. Und wenn sie uns unsere Rechte und Freiheiten aufrechterhÃ?lt, so wollen wir sie auf den HÃ?nden tragen. (Seifensieder tritt dazu.) Seifensieder. Garstige HÃ?ndel! Ã?ble HÃ?ndel! Es wird unruhig und geht schief aus! - HÃ?tet euch, daÃ? ihr stille bleibt, daÃ? man euch nicht auch fÃ?r Aufwiegler hÃ?lt. Soest. Da kommen die sieben Weisen aus Griechenland. Seifensieder. Ich weiÃ?, da sind viele, die es heimlich mit den Calvinisten halten, die auf die BischÃfe lÃ?stern, die den KÃnig nicht scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! - (Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht. - Vansen tritt dazu.) Vansen. Gott grÃ?Ã?' euch Herren! Was Neues? Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl. Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets? Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber, und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber, pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein Branntweinzapf. (Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.) Vansen. Ihr seid auch versammelt, steckt die KÃpfe zusammen. Es ist immer redenswert. Soest. Ich denk auch. Vansen. Wenn jetzt einer oder der andere Herz hÃ?tte, und einer oder der andere den Kopf dazu: wir kÃnnten die spanischen Ketten auf einmal sprengen. Soest. Herre! So mÃ?Ã?t Ihr nicht reden. Wir haben dem KÃnig geschworen. Vansen. Und der KÃnig uns. Merkt das. Jetter. Das lÃ?Ã?t sich hÃren! Sagt Eure Meinung. Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe. Vansen. Ich hatte einen alten Patron, der besaÃ? Pergamente und Briefe von uralten Stiftungen, Kontrakten und Gerechtigkeiten; er hielt auf die rarsten BÃ?cher. In einem stand unsere ganze Verfassung: wie uns NiederlÃ?nder zuerst einzelne FÃ?rsten regierten, alles nach hergebrachten Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren alle Ehrfurcht fÃ?r ihren FÃ?rsten gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie sich gleich vorsahen, wenn er Ã?ber die Schnur hauen wollte. Die Staaten waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz, so klein sie war, hatte ihre Staaten, ihre LandstÃ?nde. Zimmermeister. Haltet Euer Maul! das weiÃ? man lange! Ein jeder rechtschaffene BÃ?rger ist, so viel er braucht, von der Verfassung unterrichtet. Jetter. LaÃ?t ihn reden; man erfÃ?hrt immer etwas mehr. Soests. Er hat ganz recht. Mehrere. ErzÃ?hlt! erzÃ?hlt! So was hÃrt man nicht alle Tage. Vansen. So seid ihr BÃ?rgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern Ã?berkommen habt, so laÃ?t ihr auch das Regiment Ã?ber euch schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem Recht eines Regenten; und Ã?ber das VersÃ?umnis haben euch die Spanier das Netz Ã?ber die Ohren gezogen. Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tÃ?gliche Brot hat. Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem so etwas? Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der KÃnig in Spanien, der die Provinzen durch gut GlÃ?ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten anders als die kleinen FÃ?rsten, die sie ehemals einzeln besaÃ?en. Begreift ihr das? Jetter. ErklÃ?rt's uns. Vansen. Es ist so klar als die Sonne. MÃ?Ã?t ihr nicht nach euern Landrechten gerichtet werden? Woher kÃ?me das? Ein BÃ?rger. Wahrlich! Vansen. Hat der BrÃ?sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der Antwerper als der Genter? Woher kÃ?me denn das? Anderer BÃ?rger. Bei Gott! Vansen. Aber, wenn ihr's so fortlaufen laÃ?t, wird man's euch bald anders weisen. Pfui! Was Karl der KÃ?hne, Friedrich der Krieger, Karl der FÃ?nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib. Soests. Ja, ja! Die alten FÃ?rsten haben's auch schon probiert. Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paÃ?ten auf. Wie sie einem Herrn gram wurden, fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei sich und gaben ihn nur auf die besten Bedingungen heraus. Unsere VÃ?ter waren Leute! Die wuÃ?ten, was ihnen nÃ?tz war! Die wuÃ?ten etwas zu fassen und festzusetzen! Rechte MÃ?nner! DafÃ?r sind aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere Freiheiten so versichert. Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten? Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! ErzÃ?hlt noch was von unsern Privilegien. Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen. Soests. Sagt an. Jetter. LaÃ?t hÃren. Ein BÃ?rger. Ich bitt Euch. Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein guter und getreuer Herr sein. Soests. Gut! Steht das so? Jetter. Getreu? Ist das wahr? Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm. Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise. Jetter. SchÃn! SchÃn! nicht beweisen. Soests. Nicht merken lassen. Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt. Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise. Vansen. Mit ausdrÃ?cklichen Worten. Jetter. Schafft uns das Buch. Ein BÃ?rger. Ja, wir mÃ?ssen's haben. Andere. Das Buch! das Buch! Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche. Ein anderer. Ihr sollt das Wort fÃ?hren, Herr Doktor. Seifensieder. O die TrÃpfe! Andere. Noch etwas aus dem Buche! Seifensieder. Ich schlage ihm die ZÃ?hne in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt. Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien? Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilligung des Adels und der StÃ?nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes nicht verÃ?ndern. Soest. Ist das so? Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert Jahren her. BÃ?rger. Und wir leiden die neuen BischÃfe? Der Adel muÃ? uns schÃ?tzen, wir fangen HÃ?ndel an! Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen? Vansen. Das ist eure Schuld. Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen fÃ?r unser Bestes! Vansen. Eure BrÃ?der in Flandern haben das gute Werk angefangen. Seifensieder. Du Hund! (Er schlÃ?gt ihn.) Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier? Ein anderer. Was? den Ehrenmann? Ein anderer. Den Gelahrten? (Sie fallen den Seifensieder an.) Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht! (Andere mischen sich in den Streit.) Zimmermeister. BÃ?rger, was soll das? (Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, BÃ?rger stehn und gaffen, Volk lÃ?uft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.) Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit! (Egmont tritt auf mit Begleitung.) Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander! Zimmermeister. GnÃ?diger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels. Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz! Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? BÃ?rger gegen BÃ?rger! HÃ?lt sogar die NÃ?he unsrer kÃniglichen Regentin diesen Unsinn nicht zurÃ?ck? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein Ã?bles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's? (Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.) Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien. Egmont. Die sie noch mutwillig zertrÃ?mmern werden - Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute. Zimmermeister. Das ist unser Bestreben. Egmont. Eures Zeichens? Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister. Egmont. Und Ihr? Soest. KrÃ?mer. Egmont. Ihr? Jetter. Schneider. Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fÃ?r meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter. Jetter. Gnade, daÃ? Ihr Euch dessen erinnert. Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. - Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid Ã?bel genug angeschrieben. Reizt den KÃnig nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in HÃ?nden. Ein ordentlicher BÃ?rger, der sich ehrlich und fleiÃ?ig nÃ?hrt, hat Ã?berall so viel Freiheit, als er braucht. Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die SÃffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stÃ?nkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lÃ?gen den Neugierigen und LeichtglÃ?ubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie HÃ?ndel an, die viel tausend Menschen unglÃ?cklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre HÃ?user und Kasten zu gut verwahrt; da mÃchten sie gern uns mit FeuerbrÃ?nden davontreiben. Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind MaÃ?regeln genommen, dem Ã?bel krÃ?ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daÃ? sie sich auf den StraÃ?en rotten. VernÃ?nftige Leute kÃnnen viel tun. (Indessen hat sich der grÃÃ?te Haufe verlaufen.) Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken fÃ?r die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnÃ?diger Herr! der echte NiederlÃ?nder! Gar so nichts Spanisches. Jetter. HÃ?tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne. Soest. Das lÃ?Ã?t der KÃnig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen. Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt. Zimmermeister. Ein schÃner Herr! Jetter. Sein Hals wÃ?r' ein rechtes Fressen fÃ?r einen Scharfrichter. Soest. Bist du toll? was kommt dir ein! Jetter. Dumm genug, daÃ? einem so etwas einfÃ?llt. - Es ist mir nun so. Wenn ich einen schÃnen langen Hals sehe, muÃ? ich gleich wider Willen denken: der ist gut kÃpfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den sÃ?h' ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden SpaÃ? hab ich bald vergessen; die fÃ?rchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt. Egmonts Wohnung SekretÃ?r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf. SekretÃ?r. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand,. die Papiere vor mir; und eben heute mÃcht' ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben. Â'Sei auf die Stunde daÂ', befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt' ich's besser, wenn er strenge wÃ?re und lieÃ?e einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man kÃnnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiÃ?, wen er unterwegs angefaÃ?t hat. (Egmont tritt auf.) Egmont. Wie sieht's aus? SekretÃ?r. Ich bin bereit, und drei Boten warten. Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieÃ?lich Gesicht. SekretÃ?r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind die Papiere! Egmont. Donna Elvira wird bÃse auf mich werden, wenn sie hÃrt, daÃ? ich dich abgehalten habe. SekretÃ?r. Ihr scherzt. Egmont. Nein, nein. SchÃ?me dich nicht. Du zeigst einen guten Geschmack. Sie ist hÃ?bsch; und es ist mir ganz recht, daÃ? du auf dem Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe? SekretÃ?r. Mancherlei und wenig Erfreuliches. Egmont. Da ist gut, daÃ? wir die Freude zu Hause haben und sie nicht von auswÃ?rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen? SekretÃ?r. Genug, und drei Boten warten. Egmont. Sag an! das NÃtigste! SekretÃ?r. Es ist alles nÃtig. Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind! SekretÃ?r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. - Egmont. Er schreibt wohl noch von einzelnen Ungezogenheiten und TollkÃ?hnheiten? SekretÃ?r. Ja! Es kommt noch manches vor. Egmont. Verschone mich damit. SekretÃ?r. Noch sechs sind eingezogen worden, die bei Wervicq das Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll hÃ?ngen lassen? Egmont. Ich bin des HÃ?ngens mÃ?de. Man soll sie durchpeitschen, und sie mÃgen gehen. SekretÃ?r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen? Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen. SekretÃ?r. Brink von Bredas Kompanie will heiraten. Der Hauptmann hofft, Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen, schreibt er, daÃ?, wenn wir ausziehen, es keinem Soldatenmarsch, sondern einem Zigeunergeschleppe Ã?hnlich sehen wird. Egmont. Dem mag's noch hingehen! Es ist ein schÃner junger Kerl; er bat mich noch gar dringend, eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem mehr gestattet sein, so leid mir's tut, den armen Teufeln, die ohnedies geplagt genug sind, ihren besten SpaÃ? zu versagen. SekretÃ?r. Zwei von Euern Leuten, Seter und Hart, haben einem MÃ?del, einer Wirtstochter, Ã?bel mitgespielt. Sie kriegten sie allein, und die Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren. Egmont. Wenn es ein ehrlich MÃ?dchen ist, und sie haben Gewalt gebraucht, so soll er sie drei Tage hintereinander mit Ruten streichen lassen, und wenn sie etwas besitzen, soll er so viel davon einziehen, daÃ? dem MÃ?dchen eine Ausstattung gereicht werden kann. SekretÃ?r. Einer von den fremden Lehrern ist heimlich durch Comines gegangen und entdeckt worden. Er schwÃrt, er sei im Begriff, nach Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden. Egmont. Sie sollen ihn in der Stille an die Grenze bringen und ihm versichern, daÃ? er das zweitemal nicht so wegkommt. SekretÃ?r. Ein Brief von Euerm Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig Geld ein, er kÃnne auf die Woche die verlangte Summe schwerlich schicken; der Tumult habe in alles die grÃÃ?te Konfusion gebracht. Egmont. Das Geld muÃ? herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt. SekretÃ?r. Er sagt, er werde sein mÃglichstes tun und wolle endlich den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen lassen. Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen. SekretÃ?r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage. Egmont. So gebe man ihm noch vierzehn Tage; und dann mag er gegen ihn verfahren. SekretÃ?r. Ihr tut wohl. Es ist nicht UnvermÃgen; es ist bÃser Wille. Er macht gewiÃ? Ernst, wenn er sieht, Ihr spaÃ?t nicht. - Ferner sagt der Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen Ihr Gnadengehalte gebt, die GebÃ?hr einen halben Monat zurÃ?ckhalten; man kÃnne indessen Rat schaffen; sie mÃchten sich einrichten. Egmont. Was ist da einzurichten? Die Leute brauchen das Geld nÃtiger als ich. Das soll er bleibenlassen. SekretÃ?r. Woher befehlt Ihr denn, daÃ? er das Geld nehmen soll? Egmont. Darauf mag er denken; es ist ihm im vorigen Briefe schon gesagt. SekretÃ?r. Deswegen tut er die VorschlÃ?ge. Egmont. Die taugen nicht, er soll auf was anders sinnen. Er soll VorschlÃ?ge tun, die annehmlich sind, und vor allem soll er das Geld schaffen. SekretÃ?r. Ich habe den Brief des Grafen Oliva wieder hiehergelegt. Verzeiht, daÃ? ich Euch daran erinnere. Der alte Herr verdient vor allen andern eine ausfÃ?hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. GewiÃ?, er liebt Euch wie ein Vater. Egmont. Ich komme nicht dazu. Und unter vielem VerhaÃ?ten ist mir das Schreiben das VerhaÃ?teste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib in meinem Namen. Ich erwarte Oranien. Ich komme nicht dazu; und wÃ?nschte selbst, daÃ? ihm auf seine Bedenklichkeiten was recht Beruhigendes geschrieben wÃ?rde. SekretÃ?r. Sagt mir nur ungefÃ?hr Eure Meinung; ich will die Antwort schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daÃ? sie vor Gericht fÃ?r Eure Hand gelten kann. Egmont. Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher Alter! Warst du in deiner Jugend auch wohl so bedÃ?chtig? Erstiegst du nie einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anrÃ?t, hinten? - Der treue, sorgliche! Er will mein Leben und mein GlÃ?ck und fÃ?hlt nicht, daÃ? der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm, er mÃge unbesorgt sein; ich handle, wie ich soll, ich werde mich schon wahren: sein Ansehn bei Hofe soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines vollkommnen Dankes gewiÃ? sein. SekretÃ?r. Nichts weiter? O er erwartet mehr. Egmont. Was soll ich mehr sagen? Willst du mehr Worte machen, so steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie ich nicht leben mag. DaÃ? ich frÃhlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe, das ist mein GlÃ?ck; und ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit eines TotengewÃlbes. Ich habe nun zu der spanischen Lebensart nicht einen Blutstropfen in meinen Adern; nicht Lust, meine Schritte nach der neuen bedÃ?chtigen Hofkadenz zu mustern. Leb ich nur, um aufs Leben zu denken? Soll ich den gegenwÃ?rtigen Augenblick nicht genieÃ?en, damit ich des folgenden gewiÃ? sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren? SekretÃ?r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den guten Mann. Ihr seid ja sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefÃ?llig Wort, das den edeln Freund beruhige. Seht, wie sorgfÃ?ltig er ist, wie leis er Euch berÃ?hrt. Egmont. Und doch berÃ?hrt er immer diese Saite. Er weiÃ? von alters her, wie verhaÃ?t mir diese Ermahnungen sind; sie machen nur irre, sie helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wÃ?re und auf dem gefÃ?hrlichen Gipfel eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich, mich beim Namen zu rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tÃten? LaÃ?t jeden seines Pfades gehn; er mag sich wahren. SekretÃ?r. Es ziemt Euch, nicht zu sorgen, aber wer Euch kennt und liebt - Egmont (in den Brief sehend). Da bringt er wieder die alten MÃ?rchen auf, was wir an einem Abend in leichtem Ã?bermut der Geselligkeit und des Weins getrieben und gesprochen; und was man daraus fÃ?r Folgen und Beweise durchs ganze KÃnigreich gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir haben Schellenkappen, Narrenkutten auf unsrer Diener Ã'rmel sticken lassen, und haben diese tolle Zierde nachher in ein BÃ?ndel Pfeile verwandelt; ein noch gefÃ?hrlicher Symbol fÃ?r alle, die deuten wollen, wo nichts zu deuten ist. Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich und geboren; sind schuld, daÃ? eine ganze edle Schar mit BettelsÃ?cken und mit einem selbstgewÃ?hlten Unnamen dem KÃnige seine Pflicht mit spottender Demut ins GedÃ?chtnis rief; sind schuld - was ist's nun weiter? Ist ein Fastnachtsspiel gleich Hochverrat? Sind uns die kurzen, bunten Lumpen zu miÃ?gÃnnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers Lebens arme BlÃÃ?e hÃ?ngen mag? Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn dran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am Abend uns keine Lust zu hoffen Ã?brigbleibt: ist's wohl des An- und Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heut, um das zu Ã?berlegen, was gestern war? und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages? Schenke mir diese Betrachtungen; wir wollen sie SchÃ?lern und HÃflingen Ã?berlassen. Die mÃgen sinnen und aussinnen, wandeln und schleichen, gelangen, wohin sie kÃnnen, erschleichen, was sie kÃnnen. - Kannst du von allem diesem etwas brauchen, daÃ? deine Epistel kein Buch wird, so ist mir's recht. Dem guten Alten scheint alles viel zu wichtig. So drÃ?ckt ein Freund, der lang unsre Hand gehalten, sie stÃ?rker noch einmal, wenn er sie lassen will. SekretÃ?r. Verzeiht mir, es wird dem FuÃ?gÃ?nger schwindlig, der einen Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht. Egmont. Kind! Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als, mutig gefaÃ?t, die ZÃ?gel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die RÃ?der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiÃ? es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam. SekretÃ?r. Herr! Herr! Egmont. Ich stehe hoch und kann und muÃ? noch hÃher steigen; ich fÃ?hle mir Hoffnung, Mut und Kraft. Noch hab ich meines Wachstums Gipfel nicht erreicht; und steh ich droben einst, so will ich fest, nicht Ã?ngstlich stehn. Soll ich fallen, so mag ein Donnerschlag, ein Sturmwind, ja ein selbst verfehlter Schritt mich abwÃ?rts in die Tiefe stÃ?rzen; da lieg ich mit viel Tausenden. Ich habe nie verschmÃ?ht, mit meinen guten Kriegsgesellen um kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht? SekretÃ?r. O Herr! Ihr wiÃ?t nicht, was fÃ?r Worte Ihr sprecht! Gott erhalt' Euch! Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am nÃtigsten ist, daÃ? die Boten fortkommen, eh die Tore geschlossen werden. Das andere hat Zeit. Den Brief an den Grafen laÃ? bis morgen; versÃ?ume nicht, Elviren zu besuchen, und grÃ?Ã?e sie von mir. - Horche, wie sich die Regentin befindet; sie soll nicht wohl sein, ob sie's gleich verbirgt. (SekretÃ?r ab.) (Oranien kommt.) Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei. Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin? Egmont. Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts AuÃ?erordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht ganz wohl. Oranien. Merktet Ihr nicht, daÃ? sie zurÃ?ckhaltender war? Erst wollte sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des PÃbels gelassen billigen; nachher merkte sie an, was sich doch auch fÃ?r ein falsches Licht darauf werfen lasse; wich dann mit dem GesprÃ?che zu ihrem alten gewÃhnlichen Diskurs: daÃ? man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns NiederlÃ?ndern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, daÃ? nichts einen erwÃ?nschten Ausgang nehmen wolle, daÃ? sie am Ende wohl mÃ?de werden, der KÃnig sich zu andern MaÃ?regeln entschlieÃ?en mÃ?sse. Habt Ihr das gehÃrt? Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein Weib, guter Oranien, und die mÃchten immer gern, daÃ? sich alles unter ihr sanftes Joch gelassen schmiegte, daÃ? jeder Herkules die LÃwenhaut ablegte und ihren Kunkelhof vermehrte; daÃ?, weil sie friedlich gesinnt sind, die GÃ?rung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mÃ?chtige Nebenbuhler gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen lieÃ?e und die widrigsten Elemente sich zu ihren FÃ?Ã?en in sanfter Eintracht vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich Ã?ber Undankbarkeit, Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu drohen, und zu drohen - daÃ? sie fortgehn will. Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daÃ? sie ihre Drohung erfÃ?llt? Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo will sie denn hin? Hier Statthalterin, KÃnigin; glaubst du, daÃ? sie es unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder nach Italien zu gehen und sich in alten FamilienverhÃ?ltnissen herumzuschleppen? Oranien. Man hÃ?lt sie dieser EntschlieÃ?ung nicht fÃ?hig, weil Ihr sie habt zaudern, weil Ihr sie habt zurÃ?cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in ihr; neue UmstÃ?nde treiben sie zu dem lang verzÃgerten EntschluÃ?. Wenn sie ginge? und der KÃnig schickte einen andern? Egmont. Nun, der wÃ?rde kommen, und wÃ?rde eben auch zu tun finden. Mit groÃ?en Planen, Projekten und Gedanken wÃ?rde er kommen, wie er alles zurechtrÃ?cken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und wÃ?rde heut mit dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, Ã?bermorgen jene Hindernis finden, einen Monat mit EntwÃ?rfen, einen andern mit VerdruÃ? Ã?ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen Ã?ber eine einzige Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daÃ? er, statt weite Meere nach einer vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in diesem Sturme vom Felsen hÃ?lt. Oranien. Wenn man nun aber dem KÃnig zu einem Versuch riete? Egmont. Der wÃ?re? Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge. Egmont. Wie? Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere VerhÃ?ltnisse am Herzen, ich stehe immer wie Ã?ber einem Schachspiele und halte keinen Zug des Gegners fÃ?r unbedeutend; und wie mÃ?Ã?ige Menschen mit der grÃÃ?ten Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekÃ?mmern, so halt ich es fÃ?r Pflicht, fÃ?r Beruf eines FÃ?rsten, die Gesinnungen, die RatschlÃ?ge aller Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befÃ?rchten. Der KÃnig hat lange nach gewissen GrundsÃ?tzen gehandelt; er sieht, daÃ? er damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daÃ? er es auf einem andern Wege versucht? Egmont. Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht, und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muÃ? man es endlich wohl genug haben. Oranien. Eins hat er noch nicht versucht. Egmont. Nun? Oranien. Das Volk zu schonen und die FÃ?rsten zu verderben. Egmont. Wie viele haben das schon lange gefÃ?rchtet! Es ist keine Sorge. Oranien. Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt GewiÃ?heit geworden. Egmont. Und hat der KÃnig treuere Diener als uns? Oranien. Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander kÃnnen wir gestehen, daÃ? wir des KÃnigs Rechte und die unsrigen wohl abzuwÃ?gen wissen. Egmont. Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewÃ?rtig in dem, was ihm zukommt. Oranien. Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit nennte, was wir heiÃ?en: auf unsre Rechte halten? Egmont. Wir werden uns verteidigen kÃnnen. Er rufe die Ritter des Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen. Oranien. Und was wÃ?re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor dem Urteil? Egmont. Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen RÃ?ten nicht zutraue. Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tÃricht wÃ?ren? Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mÃglich. Wer sollte wagen, Hand an uns zu legen? - Uns gefangenzunehmen, wÃ?r' ein verlornes und fruchtloses Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht Ã?bers Land brÃ?chte, wÃ?rde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie? Richten und verdammen kann nicht der KÃnig allein; und wollten sie meuchelmÃrderisch an unser Leben? - Sie kÃnnen nicht wollen. Ein schrecklicher Bund wÃ?rde in einem Augenblick das Volk vereinigen. HaÃ? und ewige Trennung vom spanischen Namen wÃ?rde sich gewaltsam erklÃ?ren. Oranien. Die Flamme wÃ?tete dann Ã?ber unserm Grabe, und das Blut unsrer Feinde flÃsse zum leeren SÃ?hnopfer. LaÃ? uns denken, Egmont. Egmont. Wie sollten sie aber? Oranien. Alba ist unterwegs. Egmont. Ich glaub's nicht. Oranien. Ich weiÃ? es. Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen. Oranien. Um desto mehr bin ich Ã?berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit. Egmont. Aufs neue die Provinzen zu belÃ?stigen? Das Volk wird hÃchst schwierig werden. Oranien. Man wird sich der HÃ?upter versichern. Egmont. Nein! Nein! Oranien. LaÃ? uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns verstÃ?rken; mit offner Gewalt fÃ?ngt er nicht an. Egmont. MÃ?ssen wir ihn nicht begrÃ?Ã?en, wenn er kommt? Oranien. Wir zÃgern. Egmont. Und wenn er uns im Namen des KÃnigs bei seiner Ankunft fordert? Oranien. Suchen wir AusflÃ?chte. Egmont. Und wenn er dringt? Oranien. Entschuldigen wir uns. Egmont. Und wenn er drauf besteht? Oranien. Kommen wir um so weniger. Egmont. Und der Krieg ist erklÃ?rt, und wir sind die Rebellen. Oranien, laÃ? dich nicht durch Klugheit verfÃ?hren; ich weiÃ?, daÃ? Furcht dich nicht weichen macht. Bedenke den Schritt. Oranien. Ich hab ihn bedacht. Egmont. Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem verderblichsten Kriege, der je ein Land verwÃ?stet hat. Dein Weigern ist das Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand gehascht hat. Was wir lange mÃ?hselig gestillt haben, wirst du mit einem Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die StÃ?dte, die Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die VerwÃ?stung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen Kameraden neben sich hinfallen; aber den FluÃ? herunter werden dir die Leichen der BÃ?rger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, daÃ? du mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weiÃ?t, wessen Sache du verteidigst, da die zugrunde gehen, fÃ?r deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie wird dir's sein, wenn du dir still sagen muÃ?t: Â'FÃ?r meine Sicherheit ergriff ich sie.Â' Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns fÃ?r Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns fÃ?r Tausende zu schonen. Egmont. Wer sich schont, muÃ? sich selbst verdÃ?chtig werden. Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und rÃ?ckwÃ?rts gehen. Egmont. Das Ã?bel, das du fÃ?rchtest, wird gewiÃ? durch deine Tat. Oranien. Es ist klug und kÃ?hn, dem unvermeidlichen Ã?bel entgegenzugehn. Egmont. Bei so groÃ?er Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in Anschlag. Oranien. Wir haben nicht fÃ?r den leisesten FuÃ?tritt Platz mehr; der Abgrund liegt hart vor uns. Egmont. Ist des KÃnigs Gunst ein so schmaler Grund? Oranien. So schmal nicht, aber schlÃ?pfrig. Egmont. Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daÃ? man unwÃ?rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fÃ?hig. Oranien. Die KÃnige tun nichts Niedriges. Egmont. Man sollte ihn kennenlernen. Oranien. Eben diese Kenntnis rÃ?t uns, eine gefÃ?hrliche Probe nicht abzuwarten. Egmont. Keine Probe ist gefÃ?hrlich, zu der man Mut hat. Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont. Egmont. Ich muÃ? mit meinen Augen sehen. Oranien. O sÃ?hst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daÃ? der Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal verschlingt. Vielleicht zÃgert er, um seinen Anschlag sicherer auszufÃ?hren; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - LaÃ? deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie er die Stadt besetzt, was fÃ?r Macht die Regentin behÃ?lt, wie deine Freunde gefaÃ?t sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont - Egmont. Was willst du? Oranien (ihn bei der Hand fassend). LaÃ? dich Ã?berreden! Geh mit! Egmont. Wie? TrÃ?nen, Oranien? Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mÃ?nnlich. Egmont. Du wÃ?hnst mich verloren? Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl! (Ab.) Egmont (allein). DaÃ? andrer Menschen Gedanken solchen EinfluÃ? auf uns haben! Mir wÃ?r' es nie eingekommen; und dieser Mann trÃ?gt seine Sorglichkeit in mich herÃ?ber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel. Dritter Aufzug Palast der Regentin Margarete von Parma. Margarete. Ich hÃ?tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in MÃ?he und Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man tue das MÃglichste; und der von weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das MÃgliche. - O die KÃnige! - Ich hÃ?tte nicht geglaubt, daÃ? es mich so verdrieÃ?en kÃnnte. Es ist so schÃn zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiÃ? nicht, wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch. (Machiavell erscheint im Grunde.) Regentin. Tretet nÃ?her, Machiavell. Ich denke hier Ã?ber den Brief meines Bruders. Machiavell. Ich darf wissen, was er enthÃ?lt? Regentin. So viel zÃ?rtliche Aufmerksamkeit fÃ?r mich als Sorgfalt fÃ?r seine Staaten. Er rÃ?hmt die Standhaftigkeit, den FleiÃ? und die Treue, womit ich bisher fÃ?r die Rechte seiner MajestÃ?t in diesen Landen gewacht habe. Er bedauert mich, daÃ? mir das unbÃ?ndige Volk so viel zu schaffen mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen Ã?berzeugt, mit der Klugheit meines Betragens so auÃ?erordentlich zufrieden, daÃ? ich fast sagen muÃ?, der Brief ist fÃ?r einen KÃnig zu schÃn geschrieben, fÃ?r einen Bruder gewiÃ?. Machiavell. Es ist nicht das erstemal, daÃ? er Euch seine gerechte Zufriedenheit bezeigt. Regentin. Aber das erstemal, daÃ? es rednerische Figur ist. Machiavell. Ich versteh Euch nicht. Regentin. Ihr werdet. - Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine Ã?ble Figur spielen! Wir hÃ?tten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die dem BÃ?rger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, groÃ?e SprÃ?nge zu machen. Machiavell. Es wÃ?rde die GemÃ?ter Ã?uÃ?erst aufbringen. Regentin. Der KÃnig meint aber, hÃrst du? - Er meint, daÃ? ein tÃ?chtiger General, so einer, der gar keine RÃ?son annimmt, gar bald mit Volk und Adel, BÃ?rgern und Bauern fertig werden kÃnne; - und schickt deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba. Machiavell. Alba? Regentin. Du wunderst dich? Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll? Regentin. Der KÃnig fragt nicht; er schickt. Machiavell. So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten haben. Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell. Machiavell. Ich mÃcht' Euch nicht vorgreifen. Regentin. Und ich mÃchte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daÃ? er fÃrmliche Episteln unterschreibt, die ein StaatssekretÃ?r aufsetzt. Machiavell. Sollte man nicht einsehen? - Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mÃchten's gern gesÃ?ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als wenn ich den KÃnig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sÃ?he. Machiavell. So lebhaft? Regentin. Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der ehrliche Rodrich, der so erfahren und mÃ?Ã?ig ist, nicht zu hoch will, und doch nichts fallen lÃ?Ã?t, der gerade Alonzo, der fleiÃ?ige Freneda, der feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei mÃ?chtig wird. Da sitzt aber der hohlÃ?ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den ZÃ?hnen von WeibergÃ?te, unzeitigem Nachgeben und daÃ? Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche SpÃ?Ã?e, die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhÃren mÃ?ssen. Machiavell. Ihr habt zu dem GemÃ?lde einen guten Farbentopf gewÃ?hlt. Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus der ich allenfalls malen kÃnnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist bei ihm gleich ein GotteslÃ?sterer, ein MajestÃ?tsschÃ?nder: denn aus diesem Kapitel kann man sie alle sogleich rÃ?dern, pfÃ?hlen, vierteilen und verbrennen. - Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiÃ? in der Ferne wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hÃ?ngt er sich an jeden Mutwillen, der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem KÃnige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und TollkÃ?hnheit, daÃ? er sich vorstellt, sie frÃ?Ã?en sich hier einander auf, wenn eine flÃ?chtig vorÃ?bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist. Da faÃ?t er einen recht herzlichen HaÃ? auf die armen Leute; sie kommen ihm abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und Schwert um und wÃ?hnt, so bÃ?ndige man Menschen. Machiavell. Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch. Bleibt Ihr nicht Regentin? Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich bin in StaatsgeschÃ?ften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen verdrÃ?ngt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. - Erst wird er eine Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine geheime Instruktion vorschÃ?tzen; wenn ich sie sehen will, wird er mich herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz was anders enthÃ?lt; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr tun, als wenn ich redete. - Indes wird er, was ich fÃ?rchte, getan, und was ich wÃ?nsche, weit abwÃ?rts gelenkt haben. Machiavell. Ich wollt', ich kÃnnt' Euch widersprechen. Regentin. Was ich mit unsÃ?glicher Geduld beruhigte, wird er durch HÃ?rte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und Ã?berdies noch seine Schuld zu tragen haben. Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit. Regentin. So viel Gewalt hab ich Ã?ber mich, um stille zu sein. LaÃ? ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdrÃ?ngt. Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt? Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daÃ? jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genieÃ?t. KlÃ?rchens Wohnung KlÃ?rchen. Mutter. Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten. KlÃ?rchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend). GlÃ?cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tÃ?test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch. KlÃ?rchen (singt). Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen Und bangen In schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrÃ?bt - GlÃ?cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. LaÃ? das Heiopopeia. KlÃ?rchen. Scheltet mir's nicht; es ist ein krÃ?ftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein groÃ?es Kind damit schlafen gewiegt. Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. VergÃ?Ã?est du nur nicht alles Ã?ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glÃ?cklich machen. KlÃ?rchen. Er? Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und Ã?berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schÃne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann. KlÃ?rchen (schaudert, schweigt und fÃ?hrt auf). Mutter, laÃ?t die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt! Wenn wir mÃ?ssen - dann - wollen wir uns gebÃ?rden, wie wir kÃnnen - Egmont, ich dich entbehren! - (In TrÃ?nen.) Nein, es ist nicht mÃglich, nicht mÃglich. Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrÃ?ckt). KlÃ?rchen! KlÃ?rchen (tut einen Schrei, fÃ?hrt zurÃ?ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, SÃ?Ã?er! Kommst du? bist du da! Egmont. Guten Abend, Mutter. Mutter. Gott grÃ?Ã?' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, daÃ? Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen. Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen? Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hÃ?tten. KlÃ?rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter. Mutter. Schmal genug. KlÃ?rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groÃ?en Appetit haben, wenn ich bei ihm bin. Egmont. Meinst du? KlÃ?rchen (stampft mit dem FuÃ?e und kehrt sich unwillig um). Egmont. Wie ist dir? KlÃ?rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KuÃ? angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben. Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten mÃchte, da nimmt er sich zusammen, faÃ?t sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber - Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich muÃ? in die KÃ?che; KlÃ?rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mÃ?Ã?t fÃ?rliebnehmen. Egmont. Euer guter Wille ist die beste WÃ?rze. (Mutter ab.) KlÃ?rchen. Und was wÃ?re denn meine Liebe? Egmont. So viel du willst. KlÃ?rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt. Egmont. ZuvÃrderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem prÃ?chtigen Kleide da.) KlÃ?rchen. O je! Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.) KlÃ?rchen. LaÃ?t! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurÃ?ck.) Wie prÃ?chtig! Da darf ich Euch nicht anrÃ?hren. Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen. KlÃ?rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies! Egmont. Da siehst du's nun. KlÃ?rchen. Das hat dir der Kaiser umgehÃ?ngt? Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trÃ?gt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter Ã?ber meine Handlungen als den GroÃ?meister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter. KlÃ?rchen. O du dÃ?rftest die ganze Welt Ã?ber dich richten lassen. - Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! - Man weiÃ? nicht, wo man anfangen soll. Egmont. Sieh dich nur satt. KlÃ?rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzÃ?hltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles GroÃ?en und Kostbaren, was man mit MÃ?h und FleiÃ? verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach - Egmont. Was willst du sagen? KlÃ?rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht. Egmont. Wieso? KlÃ?rchen. Ich habe sie nicht mit MÃ?h und FleiÃ? erworben, nicht verdient. Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen. KlÃ?rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung Ã?ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt? Egmont. HÃ?tt' ich nur etwas fÃ?r sie getan! kÃnnt' ich etwas fÃ?r sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben. KlÃ?rchen. Du warst gewiÃ? heute bei der Regentin? Egmont. Ich war bei ihr. KlÃ?rchen. Bist du gut mit ihr? Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich. KlÃ?rchen. Und im Herzen? Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sÃ?he tief genug, wenn sie auch nicht argwÃhnisch wÃ?re. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe. KlÃ?rchen. So gar keine? Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den FÃ?ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung fÃ?r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daÃ? er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten mÃchte. KlÃ?rchen. Verstellt sie sich? Egmont. Regentin, und du fragst? KlÃ?rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch? Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will. KlÃ?rchen. Ich kÃnnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen mÃ?nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir NÃ?hterinnen und KÃchinnen. Sie ist groÃ?, herzhaft, entschlossen. Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung. KlÃ?rchen. Wieso? Egmont. Sie hat auch ein BÃ?rtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone! KlÃ?rchen. Eine majestÃ?tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten. Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wÃ?re auch nicht Furcht, nur jungfrÃ?uliche Scham. KlÃ?rchen (schlÃ?gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn). Egmont. Ich verstehe dich! liebes MÃ?dchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er kÃ?Ã?t ihre Augen.) KlÃ?rchen. LaÃ? mich schweigen! LaÃ? mich dich halten. LaÃ? mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der groÃ?e Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hÃ?ngen? Egmont. Nein, KlÃ?rchen, das bin ich nicht. KlÃ?rchen. Wie? Egmont. Siehst du, KlÃ?rchen! - LaÃ? mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchoÃ? und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrieÃ?licher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muÃ?; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fÃ?r froh und frÃhlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weiÃ?, was es will; geehrt und in die HÃhe getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht Ã?berlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen mÃchten; arbeitend und sich bemÃ?hend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn - O laÃ? mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, KlÃ?rchen, der ist ruhig, offen, glÃ?cklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drÃ?ckt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont! KlÃ?rchen. So laÃ? mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese! Vierter Aufzug StraÃ?e Jetter. Zimmermeister. Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort! Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig. Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues? Zimmermeister. Nichts, als daÃ? uns von Neuem zu reden verboten ist. Jetter. Wie? Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. HÃ?tet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch zwei oder drei, die auf der StraÃ?e zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Untersuchung schuldig erklÃ?rt sind. Jetter. O weh! Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen zu reden. Jetter. O unsre Freiheit! Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung miÃ?billigen. Jetter. O unsre KÃpfe! Zimmermeister. Und mit groÃ?em Versprechen werden VÃ?ter, MÃ?tter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren. Jetter. Gehn wir nach Hause. Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, daÃ? sie weder an Leibe, noch Ehre, noch VermÃgen einige KrÃ?nkung erdulden sollen. Jetter. Wie gnÃ?dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wÃ?re der Himmel mit einem schwarzen Flor Ã?berzogen und hinge so tief herunter, daÃ? man sich bÃ?cken mÃ?sse, um nicht dran zu stoÃ?en. Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren. Jetter. Pfui! Es schnÃ?rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte, und sieht so steif und mÃ?rrisch aus, daÃ? du auf allen Ecken einen Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit ausgegrÃ?tschten Beinen da, hatten den Hut Ã?berm Ohr, lebten und lieÃ?en leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt. Zimmermeister. Wenn so einer ruft. Â'Halt!Â' und anschlÃ?gt, meinst du, man hielte? Jetter. Ich wÃ?re gleich des Todes. Zimmermeister. Gehn wir nach Hause. Jetter. Es wird nicht gut. Adieu. (Soest tritt dazu.) Soest. Freunde! Genossen! Zimmermeister. Still! LaÃ?t uns gehen. Soest. WiÃ?t ihr? Jetter. Nur zu viel! Soest. Die Regentin ist weg. Jetter. Nun gnad' uns Gott! Zimmermeister. Die hielt uns noch. Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie lieÃ? dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt's. Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daÃ? er uns diese neue GeiÃ?el Ã?ber den Hals gelassen hat. Sie hÃ?tten es abwenden kÃnnen. Unsre Privilegien sind hin. Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken. Soest. Oranien ist auch weg. Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen! Soest. Graf Egmont ist noch da. Jetter. Gott sei Dank! StÃ?rken ihn alle Heiligen, daÃ? er sein Bestes tut; der ist allein was vermÃgend. (Vansen tritt auf.) Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind? Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fÃ?rbaÃ?. Vansen. Ihr seid nicht hÃflich. Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt? Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf SchlÃ?ge was gegeben hÃ?tte, wÃ?re sein Tage nichts aus mir geworden. Jetter. Es kann ernstlicher werden. Vansen. Ihr spÃ?rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbÃ?rmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint's. Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst. Vansen. Armselige MÃ?use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein biÃ?chen anders; aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig. Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts. Vansen. Gevatter Tropf! LaÃ? du den Herzog nur gewÃ?hren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt MÃ?use gefressen hÃ?tte und kÃnnte sie nun nicht verdauen. LaÃ?t ihn nur erst; er muÃ? auch essen, trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch finden, daÃ? in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne MÃ?uschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter. Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in meinem Leben so etwas gesagt hÃ?tte, hielt' ich mich keine Minute fÃ?r sicher. Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfÃ?hrt nichts von euch WÃ?rmern, geschweige der Regent. Jetter. LÃ?stermaul! Vansen. Ich weiÃ? andere, denen es besser wÃ?re, sie hÃ?tten statt ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe. Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen? Vansen. Hm! den Grafen mein ich. Jetter. Egmont! Was soll der fÃ?rchten? Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kÃnnte ein ganzes Jahr leben von dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kÃnnt' er mir sein Einkommen eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde hÃ?tte. Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als dein Hirn. Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am ersten. Er sollte nicht trauen. Jetter. Was er schwÃ?tzt! So ein Herr! Vansen. Eben weil er kein Schneider ist. Jetter. Ungewaschen Maul! Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder wÃ?nschen, daÃ? sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte, bis er aus der Stadt mÃ?Ã?te. Jetter. Ihr redet recht unverstÃ?ndig; er ist so sicher wie der Stern am Himmel. Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er! Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun? Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr erregen, wenn sie ihn gefangennehmen? Jetter. Ah! Vansen. Wollt ihr eure Rippen fÃ?r ihn wagen? Soest. Eh! Vansen (sie nachÃ?ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn! Jetter. Ich erschrecke Ã?ber Eure UnverschÃ?mtheit. So ein edler, rechtschaffener Mann sollte was zu befÃ?rchten haben? Vansen. Der Schelm sitzt Ã?berall im Vorteil. Auf dem ArmensÃ?nderstÃ?hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen verhÃrt hatte. Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn heraus verhÃren, wenn einer unschuldig ist? Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhÃren ist, da verhÃrt man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's heiÃ?en, und sagt alles geradezu, was ein VerstÃ?ndiger verbÃ?rge. Dann macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und paÃ?t ja auf, wo irgendein WidersprÃ?chelchen erscheinen will; da knÃ?pft er seinen Strick an, und lÃ?Ã?t sich der dumme Teufel betreten, daÃ? er hier etwas zu viel, dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weiÃ? was fÃ?r einer Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen, verrÃ?ckten, verdrÃ?ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen und UmstÃ?nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu zusammenkÃ?nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hÃ?ngen zu kÃnnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hÃ?ngen sehen. Jetter. Der hat eine gelÃ?ufige Zunge. Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures Gespinstes. Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbÃ?uchigen, die sind weniger schlimm, aber so einer langfÃ?Ã?igen, schmalleibigen, die vom FraÃ?e nicht feist wird und recht dÃ?nne FÃ?den zieht, aber desto zÃ?here. Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten Orden. Dein loses Maul, dein bÃses Gewissen verfÃ?hren dich zu solchem GeschwÃ?tz. Vansen. Will ich ihm darum Ã?bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwÃ?rts schon wÃ?ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll SchlÃ?ge verabschiedet. Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald BrÃ?derschaft mit uns trinken wÃ?rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte WÃlfe. Der Culenburgische Palast Wohnung des Herzogs von Alba Silva und Gomez begegnen einander. Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet? Gomez. PÃ?nktlich. Alle tÃ?gliche Runden sind beordert, zur bestimmten Zeit an verschiedenen PlÃ?tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe; sie gehen indes, wie gewÃhnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten. Keiner weiÃ? von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an, und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle ZugÃ?nge zum Palast kÃnnen besetzt sein. WeiÃ?t du die Ursache dieses Befehls? Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daÃ? er recht befohlen hat? Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, daÃ? du so verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muÃ?t. Mir kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin. An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das SchwÃ?tzen und RÃ?sonieren angewÃhnt. Ihr schweigt alle und laÃ?t es euch nie wohl sein. Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung FlÃ?gel hÃ?tte. Neulich hÃrt' ich ihn bei Tafel von einem frohen freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem ausgesteckten Branntweinzeichen, um MÃ?Ã?iggÃ?nger, Bettler und Diebe hereinzulocken. Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefÃ?hrt? Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewiÃ?! Wer Zeuge seiner Klugheit war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen. Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, KÃniglichen und Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefÃ?hrlich achtete, leicht und ohne AnstoÃ? zu leiten wuÃ?te! - Wir haben was gesehen, was lernen kÃnnen.